Die Funkreichweite einer einzelnen Betriebsfunk-Feststation folgt einer quasi-optischen Funktion: So weit man vom Antennenstandort aus gucken kann, wird die Anlage auch funken können – sogar noch ein Stück über den Horizont hinaus. Dieser Parameter welcher bestimmt wie weit die Reichweite über diesen Sichtradius hinaus geht, ist frequenzabhängig und nicht linear. Dieser Umstand schlägt sich in der Verwaltungsvorschrift für Frequenzzuteilungen im Betriebsfunk zum Thema Reichweiten nieder. Für die Hauptbänder 2m und 70cm ist dort eine maximale Reichweite von 15km Radius je Feststation erlaubt. Im 4m das doppelte, maximal 30km je Feststation. Um diese Maximalgrenzen tatsächlich zu erreichen sind entsprechende Standorte der Festststation nötig, beispielsweise Hochhäuser oder topografische Erhebungen.
Von Überreichweiten spricht man wenn diese quasi-optische Funktion der Reichweite aufgrund wetterbedingter Situationen extrem überschritten werden. Die Ursache liegt in Inversionswetterlagen bei denen sich Luftschichten übereinander schichten und extrem unterschiedliche Temperaturen und/oder Luftfeuchtigkeit aufweisen. Unsere normaler weise eher homogene Atmosphäre bildet dabei scharfe Luftgrenzen an den Schichtübergängen aus. Sind bestimmte Parameter dieser Grenzschichten erreicht, können sich daran elektromagnetische Felder des Betriebsfunkes brechen. Ähnlich wie man es nur von Kurzwelle kennt, werden Frequenzen in den 4m, 2m und 70cm Bändern reflektiert und mit einer gewissen Streuung auf die Erdoberfläche zurück geschleudert.
Deutlich angeheizt wird dieser Effekt zudem von der Art der im Betriebsfunk üblicher weise genutzten Stationsantennen. So verwenden die aller meisten Feststationen in der Welt entweder Groundplanes, Sperrtopantennen oder Koaxdipole der 0dBD-Klasse. Diese haben alle das selbe E-Plane Abstrahlungsmuster.
Man sieht das zwar ein großer Teil der Sendeleistung, man kann sagen knapp 40% der Sendeleistung, horizontal verteilt wird. Die übrigen 60% der Sendeleistung teilen sich in zwei gleich große 30% Blöcke: Der untere welcher 30% Ihrer Sendeleistung steil in Richtung Boden anstrahlt, und der obere welcher die übrigen 30% Ihrer Sendeleistung in den Weltraum strahlt. Ebenso gilt diese charakteristische Verteilung der Sendeleistung natürlich auch umgekehrt beim Empfang! Solch eine Antenne empfängt in der oberen Keule gut 30% ihres Empfangssignals aus dem Weltraum. Bei normalem Wetter verschwenden diese Antennen also 30% an den Weltraum und unten 30% für den unmittelbaren Nahbereich der eh genug versorgt würde ohne diese Keule. Betrachten wir die oberen 30% die Richtung Weltraum zeigt nun bei dem Effekt der Inversionswetterlage, wird sehr schnell klar: Fatal!
Kommen wir nun zu Gewinn-Antennen:
Hier sehen Sie die E-Pane einer 5dBD Gewinn-Antenne. Man sieht deutlich das der Löwenanteil der Sendeleistung sowie beim Empfang die „Hörleistung“ in Richtung Horizontale konzentriert wird. Die seichte Absenkung, auch „Downtilt“ genannt, sorgt zudem dafür das die Hauptkeile am Ende nicht nennenswert über den Horizont hinaus strahlt. Nach unten verliert man keine Leistung mehr, während oben in Richtung Weltraum nur noch vier winzige Nebenkeulen zu sehen sind, welche in der Energiebilanz keine Rolle mehr spielen. Man kann sagen das solch eine Antenne keine Leistung verschwendet, weder im Nahbereich Richtung Boden, noch in Richtung Weltraum. Betrachten wir diese Antenne nun bei Inversionswetterlagen. Man sieht schnell das durch die oberen vier Nebenkeulen zwar noch immer eine minimale Möglichkeit besteht Überreichweiten zu empfangen oder selber zu verursachen. Allerdings nur zu einem vernachlässigendem Teil, verglichen mit den üblichen 0dBD-Antennen.
Leider ist die Verbreitung solcher Gewinn-Antennen im Betriebsfunk sehr selten. Das hängt zum einen an deren Größe aber auch an den deutlich höheren Preis. Dabei haben solche 5dBD-Strahler im 2m sowie bis zu 7dBD-Strahler im 70cm überhaupt erst den „Wumms“ um große Reichweiten zu erreichen, ohne dabei die Störreichweite übermäßig hoch zu treiben.
Häufigkeit von Überreichweiten im Betriebsfunk
Überreichweiten im Sinne von Inversionsausbreitungen verbinden Funknetze die einige 100km bis vielleicht 3000km auseinander liegen und zufälliger weise die selbe Funkfrequenz benutzen wie Sie. Dabei treten entsprechende Inversionswetterlagen mehrmals im Jahr, vorwiegend in den Sommer- und Herbstmonaten auf. Die Dauer reicht von wenigen Minuten bis hin zu statischen Wetterlagen über mehrere Wochen. Ebenso in unterschiedlichen Intensitäten welche sich regulär in einer Grenzfrequenz ausdrücken. So sind niedrigere Frequenzbänder stärker betroffen als höhere. Von den heute üblichen Betriebsfunkbändern 68-87,5MHz / 146-174MHz und 380-470MHz sind diese genau in dieser Reihenfolge häufiger bis seltener betroffen.
Auswirkungen von Überreichweiten im Betriebsfunk
In analogen Funknetzen waren Überreichweiten am störensten. Eigene Funkgespräche wurden gelegentlich von fremden Funksprüchen durchkreuzt und unterbrochen. Von der Sprache waren es häufig deutsche Dialekte oder europäische Sprachen die man leicht zuordnen kann. Als Abhilfemaßnahmen gelten Subaudiosignalisierungen wie CTCSS oder DCS sowie die Beratung eines Funktechnikers ob eine Gewinnantenne der 5-7dBD-Klasse hilfreich wäre.
In heutigen digitalen Netzen auf Basis von DMR oder pDMR braucht man nicht mehr damit zu rechnen das fremde Funksprüche aus den eigenen Funkgeräten zu hören sind. Gleich mehrere Aspekte greifen hier und verhindern dieses, beispielsweise durch den ColorCode, aber bei DMR auch das Slot-Timing. Ebenso ist das Modulationsverfahren deutlich Robuster gegen Störsignale, als bisher die analoge Frequenzmodulation.
Allerdings können starke Störsignale von Überreichweiten den Signal-Rausch-Abstand (SNR) an Ihrem Empfänger verschlechtern, wodurch die Bitfehlerrate (BER) dramatisch ansteigen kann. In der Gesamtbetrachtung kann man aber sagen das die Störungswirkung auf digitale Betriebsfunknetze deutlich milder und seltener sind als in bisherigen analogen Betriebsfunknetzen. Das Restrisiko kann durch entsprechende Gewinn-Antennen bei DMR und pDMR weitgehend eliminiert werden.
Was bringen Gewinn-Antennen sonst noch für Nutzen?
Keine Frage, rundstrahlende Stationsantennen mit 5-7dBD Gewinn sind keine Wunderantennen. Unmögliches können auch diese nicht bewirken. Ebenso kann man bei der Wahl solcher Antennen und leichtfertiger Installation auch vieles Falsch machen. Mit ein Grund weswegen Sachbearbeiter der Bundesnetzagentur bei solchen Vorhaben häufig ablehnend reagieren. Der Antennenstandort sowie Ihre gewünschte Reichweite muss zu solch einer Antenne passen, eben so wichtig ist die umgebene Topologie. So kann es z.B. passieren das die Hauptkeule der Antenne weit oberhalb ihres gewünschten Funkbereiches hinweg strahlt und nirgendwo den Boden erreicht. Daher sind Themen wie einstellbarer oder fixer Downtilt essenziell für den Nutzen solcher Antennen. Bei der Funknetzplanung sind derartige Antennen wie die Amphenol Procom CXL 2-5SL hilfreich zum ausreizen der maximal erlaubten Reichweite, zur Realisierung großer Funknetze mit mehreren Feststationen. Sie können auch im Grenzbereich der Reichweite Flächen der Topologie versorgen wo einfache 0dBD-Strahler bereits große Funklöcher haben.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt solcher Antennen sind Funknetze höchster Empfindlichkeit. Beispielsweise bei Funknetzen die in einer Stadt oder Region auch eine gute Abdeckung für Handfunkgeräte bietet. Eine Herausforderung weil Handfunkgeräte gewöhnlich nur 1-1,8m über dem Boden betrieben werden und aufgrund der verkürzten Wendelantenne nur ein sehr schwachen Footprint in der Topologie verursachen. Handfunkgeräte sind gegenüber Fahrzeugfunkgeräten mit unverkürzter 0dBD-Antenne deutlich benachteiligt. Daher müssen Feststationen und Relaisstationen die noch aus 8-14km Entfernung Handfunkgeräte sauber empfangen sollen, besonderen Ansprüchen genügen. Gewinnantennen haben dort einen ganz spezifischen Nutzen!
Die Fähigkeit eines Empfängers auch extrem schwache Signale von z.B. weit entfernten Handfunkgeräten sauber zu empfangen, benötigt eine niedrige Systemrauschzahl. Die Rauschzahl gibt den Faktor an wie weit die Eingangsdynamik am unteren Ende herrab reicht. Übliche Funkgeräte welche für Feststationen eingesetzt werden haben im Falle von DM4400e & DM4600e eine Rauschzahl von ca. 0,9dB. Repeater wie SLR1000 & SLR5500 bieten eine Rauschzahl von 0,7dB. Alle Verluste zwischen der Antenne und dem Empfängereingang addieren sich zu dieser Rauschzahl. Hat Ihr Zubringerkabel von der Antenne z.B. 3dB Dämpfung und eine Duplexweiche 0,2dB Dämpfung, addieren sich diese Werte auf eine Systemrauschzahl von 4,1dB bei DM4400e & DM4600e bzw. 3,9dB bei SLR1000/5500. Solch eine System-Rauschzahl zwischen 3,9-4,1dB ist fatal, da sie gerade schwache Signale – worum es ja geht – gar nicht mehr empfangen kann.
Hängt man statt einer normalen CXL 2-1 (0dBD) eine CXL 2-5SL an solch eine Anlage sorgt der Gewinn von 5dBD dafür das die Rauschzahl mehr als kompensiert wird und kaum noch eine Rolle spielt. Es sei aber bei diesem Beispiel eines weitläufigen HFG-Funknetzes auch erwähnt, das weitere Optimierungen nötig sein können welche wir im Beitrag Diversität betrachtet haben.